Tag 10: Vom Surf Highway in die Hauptstadt

Etappe: Ohawe Beach – Palmerston North – Wellington

Wir fahren morgens nach dem Frühstück vom Camp in Ohawe Beach los und plötzlich klappert es hinter uns. Irgendwas ist runtergefallen, aber ein erster Blick lieferte keine Klarheit. Bis Claudia sagte: “Ich weiß jetzt, was es war: meine Brille lag noch auf dem Herd!” Oh shit, hoffentlich ist die nicht in irgendeinen Spalt gerutscht. Und wie heißt es so schön? Wenn schon Scheiße, dann mit Schwung!

Das gute Spekuliereisen lag nämlich genau hinter dem Kühlschrank, der sich natürlich nicht bewegen lässt. Klar, sonst würde er ja ständig hin- und herrutschen. Immerhin haben wir sie schon mal gesehen. Aber dranzukommen war unmöglich, sämtliches Besteck und sonstiges Gerät, das wir zur Verfügung hatten, reichte nicht aus, um sie zu erwischen, geschweige denn, die Brille herauszubekommen.

Da fiel mir ein, dass wir gestern bei der Hinfahrt an einem Motorradhändler vorbeigefahren sind. “Da frage ich jetzt einfach mal, ob die irgend ein Werkzeug oder sonst was haben, mit dem man das Teil da rausfischen könnte”, meinte ich und bog ab. Das Mädel am Tresen hat zwar erst etwas verwundert geschaut, dann aber rasch gemeint, dass da wohl ein Stück Draht gute Dienste leisten könnte und verschwand auch schon in der Werkstatt um kurz darauf mit einem Meter Stahldraht (No. 8 Wire) zurückzukommen. Langer Rede, kurzer Sinn: innerhalb einer Minute war die Brille wieder da, wo sie hin gehörte und alles war wieder gut. Ein großes Dankeschön nochmal an Bailey Motorcycles in Hawera!

Da die Etappe über den Forgotten World Highway nach Ohawe ja so nicht geplant war, fuhren wir dann einfach in Richtung Wellington und ließen uns überraschen, was denn die Gegend so bringt. Und neben wieder einmal tollen Landschaften und einem entgegenkommenden Haus brachte sie uns auch nach Palmerston North, denn dort sollte das New Zealand Rugby Museum beheimatet sein. So zumindest die Ankündigung an einer Hinweistafel ein paar Kilometer zuvor. Na gut, liegt zwar nicht direkt auf der Strecke, aber wenn wir schon kein Spiel live sehen können, weil gerade Sommerpause ist, dann halt wenigstens das Museum, dachten wir uns.

Bei der Einfahrt in die Stadt fiel mir dann ein lange vergessenes Logo ins Auge: Wendy’s. Die älteren unter den Leserinnen und Lesern kennen diese amerikanische Burgerkette, die es bis Ende der 80er Jahre noch in Deutschland neben McDonalds und Burger King gab, vielleicht noch. Da musste ich unbedingt rein. Und es hat sich rentiert, der Burger war klasse und Claudias Hot Taco Salad ebenfalls.

Nach dem Essen sind wir dann doch noch zum Rugby Museum weitergefahren und haben uns dort ausgiebig umgesehen. War schon beeindruckend, was da im Laufe der Geschichte so alles rund um die All Blacks passiert ist.

Nach dem ungeplanten Abstecher sind wir dann aber planmäßig weitergefahren nach Wellington, wo wir jetzt am Waterfront Motorhome Park stehen – direkt am Hafen – und uns das obligatorische Ankommerbier in Mac’s Brewbar schmecken ließen. Eigentlich waren es ja sechs Bier für jeden, denn wir haben uns ein sogenanntes Tasting Platter gegönnt, auf dem wie gesagt sechs verschiedene Biersorten, die alle dort gebraut werden, in Probiergrößen von 0,2l dargeboten werden.

Zum Abschluss des Tages sind wir dann mit der Standseilbahn, dem Wellington Cable Car zum Botanischen Garten gefahren und haben einen grandiosen Blick über die beleuchtete Stadt genossen. Der Rückweg führte uns dann zu Fuß im Dunkeln – unnötig zu erwähnen, dass wir auch Stirnlampen und meine Maglite dabei hatten, die wohlbehalten im Camper lagen – durch den Botanischen Garten wieder zurück zum Motorhome Carpark.

Dort wollten wir für zwei Nächte bleiben, da wir uns am folgenden Tag Wellington ansehen und eine Hobbit Filmtour machen wollten.

Tour 7: Ohawe Beach – Wellington, 314 km

Tag 9: Es kommt anders, als man denkt

Etappe: Tongariro Base Camp – Forgotten World Highway – Whangamomona – Ohawe Beach

Als wir heute morgen geweckt wurden, war das leider nicht von lieblichem Vogelgezwitscher oder den Sonnenstrahlen, die durch den Vorhang schienen, sondern es war das Prasseln des Regens auf dem Camper, das unseren Schlaf beendet hat.

Um 7:45 sollte das Shuttle abfahren, wenn es vom Wetter her gegangen wäre, es war 7:00 Uhr, damit war dann auch die letzte Hoffnung verflogen, dass wir heute die Tongariro Alpine Crossing gehen können. Die Gefahren wären einfach zu groß gewesen, und da wir beide wissen, was das Wetter im alpinen Bereich ausrichten kann, und vor allem wie schnell, war schnell klar, dass es keinen Sinn macht. Schade, aber nicht zu ändern.

So hatten wir zur Morgentoilette doch wieder etwas mehr Zeit und beim Frühstück überlegten wir, was wir als Alternativprogramm machen könnten. Claudia hat dann den Forgotten World Highway entdeckt. Gut, dann eben in Richtung Westen, zum Mount Taranaki, dem Vulkan, der dem Fuji in Japan zum Verwechseln ähnlich sieht. Um es vorwegzunehmen: wir haben ihn leider nur teilweise gesehen, denn der Gipfel war dicht in Wolken verhüllt.

Der Forgotten World Highway ist eigentlich der State Highway Nr. 43, aber eben mit ein paar Besonderheiten. So gibt es in der Mitte ein zwölf Kilometer langes Stück Gravel Road, also unbefestigte Straße, und an jedem Ende des Highways steht groß und deutlich der Hinweis, dass es keine Tankstelle auf dem ganzen Weg, und das sind immerhin 155 Kilometer, gibt. Also haben wir, bevor wir in Taumarunui auf den SH43 abgebogen sind, brav noch unseren Tank gefüllt und sind dann ins Abenteuer aufgebrochen.

Und ich muss sagen, der Weg verdient den Namen zurecht. Ich bin mir selten so alleine vorgekommen – auf einem Highway wohlgemerkt – wie hier. Es gibt hier Landschaft, viel Landschaft und noch mehr Landschaft. Und wenn Du glaubst, es kann nicht mehr Landschaft geben, dann kommt nochmal eine Schippe drauf. Unglaublich. In einem Moment fahren wir durch grüne Wiesen mit Schafen und Kühen, im nächsten Moment stehen wir im dichtesten Regenwald mit Palmen und Farnen. Es geht rauf und runter, über Pässe, naja gut, sagen wir eher Sättel und Höhenzüge durch Schluchten und Canyons.

Und plötzlich begrüßt uns ein Schild in der Republik Whangamomona. Hä? Eigentlich dachte ich, dass es in Neuseeland nur Neuseeland gibt und sonst nix. Aber ich habe mich getäuscht. Am 28. Oktober 1989 hatte sich das Dorf Whangamomona zur unabhängigen Republik erklärt, nachdem die neuseeländische Regierung die Provinzgrenzen verschoben hatte und das Dorf fortan nicht mehr zu Taranaki gehören sollte. Seitdem fallen in das 10 Seelen Örtchen jedes ungerade Jahr am 24. Januar Scharen von auswärtigen Einwohnern zur örtlichen Unabhängigkeitsfeier hier ein um den nächsten Präsidenten zu wählen.

Wahlberechtigt ist jeder mit einem Pass der Republik Whangamomona. Und da dieser Pass, und damit auch die Staatsbürgerschaft und die Wahlberechtigung, für fünf Dollar im örtlichen Whangamomona Hotel erworben werden können, ist die Zahl der wahlberechtigten Bürger deutlich höher, als die Zahl der tatsächlichen Einwohner. Ich muss nicht extra erwähnen, dass wir auch am 24. Januar 2015 den nächsten Präsidenten wählen dürften, oder? Leider haut es zeitlich nicht ganz hin, an der Wahl teilzunehmen, und Briefwahl ist leider nicht möglich.

Am Ende des Tages kommen wir im Camp von Ohawe Beach, das direkt am Strand liegt, an, und nach einem kurzen Strandspaziergang, bei dem wir die Fischer beim Fangen von Whitebait beobachten konnten, genießen wir das Ankommerbier am Strand, hören dem Wellenrauschen zu und beobachten, wie das Wasser immer höher steigt – die Flut kommt langsam.

Nach dem kleinen Abendspaziergang am Strand genießen wir die Ruhe und Abgeschiedenheit des Camps und freuen uns auf den nächsten Tag, an dem wir nach Wellington, die Hauptstadt Neuseelands fahren wollen.

Tour 6: Tongariro – Ohawe Beach, 276 km