Tag 30: Hoch hinaus und schneller Fall

Etappe: Tongariro Holiday Park – Taupo

Eine der kürzesten Etappen unserer Reise – mit Ausnahme der letzten, zum Zurückgeben des Campers – stand für den Tag an. Nur 77 Kilometer betrug die Entfernung vom Tongariro Base Camp bis nach Taupo, der Stadt am gleichnamigen See.

Der Lake Taupo ist der Kratersee eines vor rund 26.500 Jahren kollabierten Vulkans und der größte See Neuseelands. Er liegt ziemlich genau in der Mitte der Nordinsel, mit ca. 100 km Abstand zur West- und Ostküste. Nach Norden, zur Bay of Plenty sind es 110 km und nach Süden erreicht man das Meer in 125 km. Mit 40 km Länge, 28 km Breite und 622 km2 Fläche. Zum Vergleich dazu: der Chiemsee, gerne auch mal ‘bayerisches Meer’ genannt, hat eine Länge von 13,7 km, eine Breite von 9,2 km und eine Fläche von 79,9 km2!

Die Region Taupo ist auf der Nordinsel das, was Queenstown auf der Südinsel ist: die Heimat der Adrenalinjunkies. Alles, was schnell, hoch oder weit ist und den Puls nach oben treibt kann hier in der Region gemacht werden.

Und da wir beim gestrigen Tongariro Alpine Crossing den höchsten Punkt, den wir während unserer Reise zu Fuß erreichen konnten, erreicht hatten, dachten wir uns, da geht doch noch was.

Naja und was bleibt da noch? Entweder mit dem Heli oder dem Flugzeug. Wir haben uns für letzteres entschieden. Und getreu den alten Fliegermottos ‘Runter kommen sie alle’ oder ‘Es ist noch keiner oben geblieben’ wollten wir das Runterkommen aber dann wenigstens auf besondere Weise erledigen und sind am höchsten Punkt bei 15.000 Fuß, das sind ca. 5.000 m, einfach ausgestiegen!

Klingt einfach, war es auch. Claudia hatte zu ihrem 50. Geburtstag einen Tandem-Fallschirmsprung geschenkt bekommen, der aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt wurde. Und so haben wir entschieden, dass wir dann hier in Neuseeland beide einen Tandemsprung machen.

In der iSite von Taupo (wird übrigens wie Toe-Paw, also Zeh und Pfote, ausgesprochen) haben wir den Sprung bei Taupo Tandem Skydiving gebucht. Das Wetter war gut und wenn wir schon auf den Putz hauen, dann aber richtig: unser Shuttle von der iSite zum Flugplatz war ein Stretch-Hummer. War schon ziemlich abgefahren, in der plüschigen Fahrgastzelle (zum Glück in schwarz) hinter verdunkelten Scheiben durch die Stadt zu gondeln.

Am Flugplatz angekommen checkten wir am Registrierungscounter ein, unterschrieben natürlich wie immer die Verzichtserklärungen und Haftungsbeschränkungen und mussten uns auf die Waage stellen. ‘Neuseeländische Waagen gehen wohl ein bisschen anders’, meinte Claudia augenzwinkernd.

Wir bekamen unsere Sprunganzüge, schlüpften rein und dann kamen auch schon unsere Tandemmaster Danny Overeem, der mit mir sprang und Duncan Campbell, der den Sprung mit Claudia absolvieren sollte. Duncan hatte einige Zeit in Niederbayern gelebt und sprach sogar deutsch, oder das, was man in Niederbayern deutsch nennt.

Es folgten alle notwendigen Checks, und mir fiel auf, dass jeder, auch die Tandemmaster und die zusätzlichen Springer, die für Videos und Fotos zuständig waren immer von mindestens zwei Personen kontrolliert wurden. Und natürlich wurden auch unsere Anzüge und Gurte mindestens zweimal von verschiedenen Personen überprüft. Das gab einem schon ein gewisses Gefühl von Sicherheit.

Ich fragte Danny, wie viele Sprünge er denn schon gemacht hat und er meinte: ‘Ungefähr 3.000.’ Auf meine anschließende Frage erzählte er mir, dass man in Neuseeland für den Tandemmaster mindestens 750 Freifallsprünge benötigt, bei Taupo Tandem Skydiving mindestens 1.000 Freifallsprünge. Ich habe mal gegoogelt, was in Deutschland so erforderlich ist und die Zahl 500 Freifallsprünge gefunden.

Irgendwie war ich überhaupt nicht richtig nervös und ich fragte mich, wann denn das blöde Gefühl kommt, gerade am falschen Platz zu sein. Wir stiegen nacheinander in die kleine Cessna Caravan, immer ein Tandemmaster und der Passagier dazu. Claudia saß mit Duncan direkt vor mir. Und dann ging’s los.

Schnell hoben wir ab und es ging steil nach oben, die Häuser und Autos wurden immer kleiner. Als wir 5.000 Fuß (1650 m) Höhe erreicht hatten erklärte mir Danny, das sei die Höhe, wo er den Fallschirm öffnet.

In 12.000 Fuß sollten die ersten Tandem aussteigen, ein Tandemmaster mit Passagier und ein Tandemmaster in Ausbildung, der den Chef der Springer vor sich auf den Bauch geschnallt hatte. Das mit dem Azubi und dem Chef hatte mir Danny noch am Boden erzählt. Der Azubi war wohl etwas aufgeregt und hat vor dem Ausstieg vergessen, sein Visier vom Helm zu schließen und so flog ihm das Ding vom Kopf, kaum, dass die beiden aus der Luke waren.

‘Na servus’, dachte ich mir, ‘wenn das Teil jemand auf den Schädel bekommt, wenn es runterfällt!’ Um es vorwegzunehmen: als wir wieder auf dem Boden waren sah der Azubi irgendwie nicht gerade glücklich aus. Vermutlich hat er einen entsprechenden Einlauf vom Chef bekommen.

Die Luke ging wieder zu nachdem die vier ausgestiegen waren und wir stiegen weiter, bis wir unsere Zielhöhe erreicht hatten. Wir Passagiere setzten die Sauerstoffmasken ab, die wir bei ca. 8.000 Fuß angelegt hatten, setzten die Lederhelme auf und zogen die Schutzbrillen an. Claudia und ich klatschten uns nochmal ab. Der Höhenmesser zeigte 15.500 Fuß an.

Der Foto- und Videospringer schob sich aus der geöffneten Luke und hing so, dass er den Ausstieg von Duncan und Claudia aufs Bild bringen konnte. Die beiden rückten an die Luke, ein letztes Bild, der Fotograf ließ los und war weg, gleich darauf waren auch Duncan und Claudia aus der Luke verschwunden.

Danny und ich waren die nächsten, auch unser Videomann hing in der Luke, das Exit-Foto, den Kopf nach hinten, die Hände an das Gurtzeug und dann:

WOOOOOOOOOOOOWWWWW!!

 

Im letzten Moment war er dann doch noch da, der Moment wo ich mir dachte: ‘Verdammt, was machst Du hier eigentlich?’ Scheiße, das war richtig hoch! Zum Glück hatte Danny am Boden noch gesagt, brüll ruhig wenn Du möchtest, ich kann Dich eh nicht hören. Und ich kann Euch sagen, ich habe gebrüllt.

War das geil! Mit über 200 km/h ging es dem Boden entgegen, Martin unser Videomann kam immer wieder vorbei, Daumen hoch, High Five! 60 Sekunden dauerte der freie Fall, dann gab Danny dem Kameramann das Signal, dass er jetzt öffnet und zog die Reißleine.

Und dann schwebten wir ungefähr fünf Minuten dem Boden entgegen. Machten ein paar Kringel und Kurven und Danny überließ mir tatsächlich für kurze Zeit den Schirm zum Steuern (er hatte die Hände aber über mir wahrscheinlich trotzdem noch dran).

Die Landung war perfekt auf den Punkt, ich umarmte Danny und dankte ihm für diesen tollen Sprung, dann fielen Claudia und ich uns in die Arme: wir haben es getan! Miteinander!

Nachdem wir die Fotos und Videos angesehen und bezahlt hatten ging es mit dem gelben Stretch-Hummer wieder zurück in die Stadt zur iSite, wo wir, vermutlich immer noch ziemlich adrenalinberauscht, in unseren Camper stiegen und zum Great Lake Holiday Park Taupo fuhren und unseren Stellplatz für die Nacht buchten.

Danach machten wir uns nochmal auf den Weg und sahen uns die Huka Falls an. Der Waikato ist Neuseelands längster Fluss und fließt normalerweise gemächlich und auf bis zu 100 Metern Breite vom Lake Taupō gen Norden. Kurz vor den Huka Falls muss das Wasser allerdings durch eine enge Schlucht aus hartem Vulkangestein – in etwa so, als würde das Wasser durch einen engen Feuerwehrschlauch gepresst.

Und zum Abschluss genehmigten wir uns ein Bad im heißen Wasser des Otumuheke Stream, der sich mit dem Waikato River vermischt. Dort war ziemlich Betrieb, denn die heißen Wasser sind ein beliebter Badeplatz für Einheimische und Touristen.

Tour 30: Tongariro Holiday Park – Turangi – Taupo, 77,34 km