Tag 15: Ran an den Gletscher

Etappe: Queenstown – Glendhu Bay

Die Etappe von Queenstown bis zum Lake Wanaka, genauer gesagt bis zum Camp in Glendhu Bay sollte relativ schnell erledigt sein, es sind ja nur knapp 130 Kilometer, denn wir wollten nur im Camp einchecken und dann gleich weiterfahren zum Startpunkt des Rob Roy Track.

Wir erledigten unsere morgendliche Toilette und genossen noch einmal die unbegrenzten heißen Duschen im Lakeview Holiday Park. Denn je nach Campingplatz gibt es heißes Wasser unbegrenzt oder aber nur gegen Gebühr. Die schwankt in der Regel zwischen einem und zwei Dollar und bietet dann zeitlich begrenzt, normalerweise zwischen fünf und sechs Minuten, heißes Wasser zum Duschen.

Kurz nach Queenstown stand eine Anhalterin mit Trekkingrucksack am Straßenrand und hielt den Daumen hoch. Wir blieben stehen und fragten, wie weit sie denn wollte. ‘Nach Cromwell’, war die Antwort der jungen Holländerin, nach deren Namen wir vergessen haben zu fragen. Da Cromwell auf unserem Weg lag, haben wir ihr den dritten Platz in unserem Camper angeboten und sie hat ihn dankbar angenommen.

Beim üblichen Woher – Wohin stellte sich heraus, dass sie bereits seit April 2018 in Neuseeland war. Das erste halbe Jahr hatte sie in Wellington studiert und seit Oktober bereiste sie das Land. Sie hatte vor, über die Weihnachtsfeiertage eine befreundete Familie in der Nähe von Cromwell zu besuchen. Als wir ihr unsere Pläne für den weiteren Tagesverlauf schilderten, empfahl sie uns, unbedingt bis zum Upper Lookout des Rob Roy Track weiterzugehen. Die meisten blieben am unteren Aussichtspunkt stehen und versäumten das Beste. Sie sollte rechte behalten.

Nachdem wir sie in Cromwell abgesetzt hatten fuhren wir weiter nach Glendhu Bay. Es war viertel vor zwölf und die Rezeption hatte gerade eben geschlossen, da Weihnachtstag war. Der Besitzer war aber noch da und wir vereinbarten, dass wir unseren Tisch und die Stühle auf einem Platz abstellen und dann zum Track weiterfahren.

Er meinte daraufhin, dass am Nachmittag wahrscheinlich niemand mehr da sei, da ja Weihnachtstag war. Wir sollten einfach unsere Registrierung ausfüllen, das Geld in einen der bereitgelegten Beutel legen und in das Postfach werfen. Im Prinzip so, wie auf den Camps vom DOC. Gesagt, getan.

Am Carpark des Rob Roy Track angekommen, machten wir uns auch gleich auf den Weg. Zunächst führte der Pfad über Grasland, stieg dann jedoch ziemlich bald an und bog in das Tal zum Rob Roy Gletscher ein. Da bemerkte ich wieder einmal, dass es bei der Klassifizierung von Wanderwegen deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und Neuseeland gibt.

Der Rob Roy Track wird vom DOC als ‘einfach, keine besonderen Anforderungen, gut mit Kindern zu gehen’ eingestuft. Bei uns bekäme dieser Weg mindestens eine mittlere Schwierigkeit zugewiesen, es geht zum Teil gut steil nach oben, an einigen Stellen ist der Weg abgerutscht und führt über größere Felsbrocken und Wurzeln. Ausreichende Trittsicherheit sollte an diesen Stellen schon vorhanden sein.

Immer höher stiegen wir oberhalb eines rauschenden Bachs durch den Regenwald und auf einmal tat sich zwischen den Bäumen eine Lücke auf und wir konnten zum ersten Mal einen Blick auf den Gletscher werfen. Sehr imposant erhob er sich da über unseren Köpfen.

Wir gingen am Lower Lookout vorbei und stiegen eine weitere halbe Stunde bergwärts, bis wir am oberen Aussichtspunkt angekommen waren. Ein atemberaubender Anblick bot sich uns dort. Gleich mehrere Wasserfälle stürzten ins Tal, alle gespeist vom ewigen Eis des Gletschers. Wir genehmigten uns unsere Brotzeit und genossen die Eindrücke, die sich uns boten.

Zwei Mal hörten wir lautes Krachen und als wir nach oben sahen, konnten wir sehen, wie sich eine große Menge Eis gelöst hatte und nach unten stürzte. Der darunter liegende Wasserfall wuchs darauf hin kurz an und nach einer Minute war alles wieder so wie vorher.

Am Abend, als wir im Camp ankamen, trafen wir ein deutsches Paar, die auch einchecken wollten. Wir erklärten ihnen die Prozedur und es stellte sich heraus, dass die beiden ebenfalls vom Rob Roy Track kamen. Und schon hatten wir ausreichend Gesprächsstoff und ehe wir uns versahen, waren mal schnell zwei Ankommerbier im Stehen weg. Jedoch nicht ohne dass wir zumindest mal mit den Füßen im See waren, denn unser Platz lag nur zwanzig Meter vom Wasser entfernt

Nach dem Duschen erzählten uns die beiden, dass sie seit Anfang Dezember unterwegs sind und auf der Nordinsel begonnen haben. Ihre Route ging also ziemlich genau entgegengesetzt der unsrigen. Sie wollten auch am nächsten Tag auf den Roys Peak so wie wir, allerdings bereits um 2:00 Uhr los, damit sie den Sonnenaufgang am Gipfel sehen können.

Da haben wir beide einvernehmlich gestreikt und unseren wohlverdienten Schlaf vorgezogen.

Tour 15: Queenstown – Cromwell – Wanaka – Glendhu Bay, 125,10 km

Tag 15: Higher and higher

Etappe: Lake Tekapo – Mount Cook Airport – Tasman Glacier – White Horse Hill Campground – Cardrona – Arrowtown – Queenstown.

So, langsam kommt wieder etwas Ruhe in die Gefühlswelt. Wir stehen in Queenstown im Lakeview Holiday Park und lassen den Tag ausklingen, nachdem wir bereits einen Fergburger verspeist haben und zur Verdauung einen Stadtbummel gebraucht haben. Aber jetzt erst mal der Reihe nach:

Sanfter Sonnenschein hat uns heute wieder mal am Lake Tekapo geweckt und wir sind noch kurz in Richtung Zentrum abgebogen, um Briefmarken zu kaufen und die Postkarten einzuwerfen. Praktischerweise gleich im Informationsbüro. Als Anlaufpunkte standen heute Mount Cook, Hooker Valley, Cardrona Valley und als Ziel Queenstown auf dem Programm.

Die Fahrt vom Lake Tekapo zum benachbarten Lake Pukaki dauerte nicht lange, sind auch nur knapp 50 Kilometer. Dann führt die Straße an diesem blitzblauen See entlang nochmal circa 60 Kilometer zum Mount Cook Airport. Die Fahrt zum Airport war, wie schon fast täglich, von vielen Ah’s und Oh’s begleitet, nach jeder Ecke öffneten sich wieder Blicke, die uns den Atem raubten.

Wir wollten nämlich mit dem Helikopter einen Gletscherrundflug inklusive Landung auf dem Gletscher machen. Nun gibt es unzählige Anbieter von solchen Flügen, mit Helikoptern, mit kleinen Sportflugzeugen, sogar mit einem Doppeldecker kann man sich auf das ewige Eis fliegen lassen.

Wir hatten uns für den Helikopter entschieden und steuerten auf den Airport zu. Kaum dass wir unseren Camper auf dem Parkplatz des Airports abgestellt hatten, stürmte eine junge Dame auf uns zu und fragte, ob wir einen Flug buchen wollten. Wir bejahten und fragten, wann denn der nächste Flug stattfinden würde und sie sagte: “Jetzt!”

Uff, das ging aber schnell! Claudia sollte nur ihre Jandals (bei uns heißen die Dinger Flip-Flops) gegen festes Schuhwerk tauschen und dann sollte es losgehen. Der Helikopter stand mit laufenden Rotoren auf einem Autoanhänger und darin wartete schon eine asiatische Familie mit zwei kleinen Kindern. Die hatten also nur auf zwei weitere Personen gewartet, damit der Heli voll ist. Manchmal muss man auch Glück haben! Schnell die Einweisung gemacht, bezahlt wird nach dem Flug, have fun!

Und dann ging’s auch schon los. Unser erster Helikopterflug überhaupt. Matt, der Pilot fragte natürlich als erstes – wie übrigens jeder andere Neuseeländer auch – wo wir denn herkommen. Er fand es cool, dass wir aus München sind und erzählte auch gleich, dass einer seiner Vorfahren 1861 irgendwo von der deutsch-österreichischen Grenze nach Neuseeland ausgewandert ist.

Für diejenigen, die es noch nicht erlebt haben: Helikopterfliegen ist fast wie Achterbahnfahren – wenn der Wind mitspielt. Wenn nicht, kann es wohl ganz schön ungemütlich werden.

Nach relativ kurzem Flug, er hat insgesamt wohl nur knappe zehn Minuten gedauert, waren wir dann auch schon auf dem Tasman Gletscher unterhalb des Mount Cook gelandet und standen auf dem Eisfeld! Links und rechts an den Hängen konnte man deutlich erkennen, wie sehr die Schmelze in den vergangenen Jahrzehnten das Eis reduziert hatte. Mein lieber Schwan, wenn man das so sieht, müsste man den jungen Leuten heutzutage sagen, wenn sie noch sowas sehen wollen, dann sollten sie sich fast ein bisschen beeilen.

Na gut, ganz so schlimm ist es nicht, die Gletscherzunge, auf der wir standen misst immerhin noch genug, um noch ein paar weitere Jahrzehnte da zu sein, aber bestimmt wird man da, wo wir heute gelandet sind, wohl nicht mehr landen können.

Nachdem wir uns noch ein bisschen mit Matt unterhalten haben und die obligatorischen Fotos geschossen wurden, stand auch schon wieder der Rückflug an. Als Special flogen wir ganz dicht an einen Eisabbruch direkt unterhalb des Gipfels und konnten diesen aus geringer Höhe betrachten.

Und dann ging es zurück zum Flughafen, zehn Minuten später setzte Matt den Heli wieder sanft auf dem Anhänger auf, von dem wir gestartet waren und wir hatten wieder festen Boden unter den Füßen. Schade eigentlich, für mich hätte der Flug auch ruhig noch länger dauern können.

Nachdem wir noch das organisatorische erledigt hatten – dafür war vor dem Flug ja keine Zeit mehr – machten wir uns auf den Weg weiter taleinwärts bis zum White Horse Hill Campground. Dort stellten wir den Camper ab und gingen auf dem Wanderweg in Richtung Hooker Valley bis zum Denkmal für die Verunglückten in diesen Bergen. Und wir genossen nochmal einen tollen Blick auf den Mount Cook.

Dann ging unsere Fahrt auch schon wieder zurück in Richtung Queenstown, aber wir nahmen nicht die vom Navi vorgeschlagene Route sondern fuhren durch das Cardrona Valley, das im Winter ziemlich mit Schnee versorgt sein muss, da es dort Skibetrieb gibt und entlang der Straße alle paar hundert Meter ein Kettenanlegeplatz ist.

Zweck unseres Abstechers war jedoch der Cardrona Bra Fence. Ein Zaun, an dem mal mehr, mal weniger BHs hängen. Jetzt fragt sich natürlich jeder, der das liest, warum denn die Kiwi-Mädels ihre BHs an den Zaun hängen.

Nach Erzählungen soll das alles im Jahr 2000 begonnen haben, als vier Frauen auf dem Heimweg von einer Silvesterparty kamen und sich entschlossen, ihre Büstenhalter an eben jenen Zaun zu hängen. Der Besitzer des Zauns, Farmer Sam Lee hatte nichts dagegen. Im Gegenteil, sein Zaun spiegele die unbeschwerte Einstellung der Kiwis zum Leben wider, meinte er. „Wir sind Kiwis. Wir lachen gerne über uns selbst und der BH-Zaun ist die Versinnbildlichung dessen, was es heißt ein Kiwi zu sein.“

Und obwohl es in der Zwischenzeit erboste Widerstände dagegen gegeben hat, hat der Bra Fence alle Widerstände überstanden, auch die nächtlichen “Diebstähle” einiger der aufgehängten BHs. Nach dem Dieb wird übrigens immer noch gesucht.

Im Sommer diesen Jahres wurden dann alle, bis dato angebrachten, Büstenhalter radikal von Unbekannten abgeschnitten, seitdem wird der Zaun per Video überwacht. Nein, wir haben keinen mitgenommen, im Gegenteil.

Über die mit 1067 m höchste befestigte Straße Neuseelands, den Crown Range Summit, sind wir dann auf Queenstown zugefahren. Just in dem Moment kam auch ein Flugzeug durch das Tal geflogen, aber wir waren leider zu langsam, bzw. hatten nicht schnell genug einen Parkplatz, an dem wir sicher stehen bleiben konnten. Sah aber soll aus, wenn so ein Jet durch die Berge fliegt.

Zuletzt noch ein kurzer Abstecher nach Arrowtown, einer der ältesten Goldgräberstädte Neuseelands, die zum Teil noch im alten Straßenbild existieren, bevor wir dann Queenstown erreichten. Und dort bleiben wir dann erst mal für zwei Nächte.

Tour 11: Lake Tekapo – Queenstown, 396 km