Tag 31: Von ganz oben nach ganz unten

Etappe: Taupo – Waitomo Village

Die Nacht war ziemlich kurz, denn das Adrenalin vom Fallschirmsprung hat noch ziemlich lang angehalten und so dauerte es etliche Seiten von Agatha Christies’s Hercule Poirot auf dem Kindle, bis mir endlich die Augen zufielen. Als ich das letzte Mal auf die Uhr sah zeigte sie 01:44.

Der Morgen zeigte sich mit bedecktem Himmel, dennoch war es warm genug, um draußen frühstücken zu können. Wie (fast) immer gemütlich und ohne Eile genossen wir unsere morgendliche Anlaufphase auf dem Campingplatz und schauten den anderen Campern beim wach werden zu.

Es ist schon erstaunlich, wie unterschiedlich sich Menschen verhalten. Die einen grüßen freundlich und sind gleich zu einem Gespräch bereit, unsere Nachbarinnen würdigten uns keines Blickes und erwiderten auch keinen Gruß. Vermutlich lag es daran, dass wir an dem Tisch saßen, den sie sich für ihr Frühstück ausgesucht hatten. Nicht dass, da nicht Platz für mindestens sechs Personen gewesen wäre. So räumten sie voller Verachtung ihre Campingstühle und den Tisch aus ihrem Auto und nahmen schmollend ihr Frühstück zu sich. Wer nicht will …

Gegen halb zehn machten wir uns auf den Weg nach Waitomo, unserer nächsten Station. Dort findet man die berühmten Glowworm Caves, also Glühwürmchen Höhlen mit allerlei möglichen Aktivitäten von der trockenen Wanderung bis hin zum Black River Rating, das dann reichlich nass ist. Abseiling (das heißt hier tatsächlich so!), Zip-Line (Flying Fox) und Canyoning in den Höhlen ergänzen das ganze dann je nach Belieben und Inhalt des Geldbeutels.

Die Strecke an sich war mit 150 km nicht übermäßig lang und so erreichten wir relativ bald Te Kuiti. Noch vor dem Ortseingang fielen uns bereits Schilder mit der Aufschrift

Te Kuiti

Where legends are made

auf. Bilder haben wir keine, aber auf der Facebookseite von Te Kuiti sind sie natürlich zu sehen.

Was es damit auf sich hatte, stand auch in unserem Reiseführer: Te Kuiti ist die Welthaupstadt des Schafscherens und Gastgeber der jährlichen Nationalen Meisterschaften im Schafscheren. Am Ortseingang sieht man schon die riesengroße Statue eines Schafscherers bei der Arbeit und den umstehenden Infotafeln kann man entnehmen, dass die Familie von Sir David Fagan über Jahre hinweg ziemlich erfolgreich Titel gesammelt und diverse Meisterschaften gewonnen hat.

Und vor der örtlichen iSite steht die Statue einer weiteren Legende, nämlich Sir Colin Meads, der Ende 1999 von The New Zealand Rugby Monthly, einem monatlichen Rugby Magazin, vergleichbar mit dem deutschen Kicker Fußballmagazin, zum Spieler des 20. Jahrhunderts ernannt wurde. Für die, die es nicht wissen: die All Blacks sind die Rugby Nationalmannschaft Neuseelands und sowas wie ein Volksheiligtum. Ihre verdienten Spieler werden verehrt wie hierzulande Fritz Walter, Uwe Seeler oder Gerd Müller.

In der iSite konnten wir dann bei Jo, die uns sehr freundlich und gut beraten hat, gleich unsere Tour für den Nachmittag buchen: mit Kiwi Cave Rafting sollte es in den Untergrund gehen. Und zuvorkommend, wie eigentlich alle Leute in den iSites sind, machte Jo mit den Veranstaltern auch gleich aus, dass wir direkt am TOP 10 Holiday Park abgeholt und nach der Tour auch wieder dorthin zurückgebracht werden. Service vom Feinsten. Wie schon öfter im Blog erwähnt können wir allen Neuseelandbesuchern den Besuch der jeweiligen iSites nur empfehlen!

Bevor wir die Statue des Schafscherers fotografierten und anschließend nach Waitomo Village weiterfuhren, spazierten wir noch kurz durch den japanischen Garten von Te Kuiti.

In Waitomo Village angekommen bogen wir gleich zum TOP 10 Holiday Park ein und buchten unseren Standlatz für die Nacht. Da wir ziemlich früh am Tag dran waren – es war gerade mal Mittagszeit – war der Platz fast leer und es war kein Problem, einen Platz zu bekommen.

Während der Wartezeit auf den Shuttle nutzte ich die Gelegenheit und schrieb schon mal den ersten Teil des heutigen Beitrags.

Der Shuttle kam dann etwas später als angekündigt, da wir aber vorher angerufen wurden, war das kein Problem. Zum vereinbarten Zeitpunkt wurden wir an der Rezeption abgeholt und zum Office von Kiwi Cave Rating gefahren. Dort wartete bereits die vorhergehende Gruppe auf ihre Fotos und wir hatten noch Zeit, die übliche Check-In Prozedur abzuwickeln.

Kiwi Cave Rating ist dafür bekannt, dass sie das beste Preis-Leistung-Verhältnis haben. Das kommt unter anderem daher, dass sie nur das nötigste für Werbung und sonstigen Schnickschnack ausgeben. Da darf man dann aber auch keinen Hochglanztempel und einen Hummer als Shuttle erwarten, sondern dann gibt es einen alten Toyota Hiace und eine spartanisch eingerichtete Hütte mit unzähligen Widmungen von Tourteilnehmern  an den Wänden.

Außerdem sind die Gruppen nur maximal sechs Personen groß, was das Erlebnis viel direkter macht, als in einer großen Gruppe.

Um 15:00 Uhr sammelte uns Tony, unser kanadischer Tourguide aus Edmonton, ein und wir fuhren ca. 15 Minuten zum Base Camp, wo wir unsere Ausrüstung bekamen. Diese bestand aus einem Neoprenanzug, einem Helm mit Stirnlampe und Gummistiefeln mit einem Loch in der Sohle. Das dient ganz einfach dazu, dass das Wasser schneller wieder aus den Stiefeln kommt.

Wir mussten selbst nur Badezeug, ein Handtuch und ein paar warme Socken mitbringen. Die Socken zogen wir in den Stiefeln an und sie sorgten dafür, dass die Füße trotz des Wassers warm blieben.

Nachdem wir angezogen waren bekamen wir noch ein Gurtgeschirr angelegt, damit wir uns abseilen konnten. Richtig gelesen, unser Veranstalter bot auf einer Tour fünf verschiedene Aktivitäten an:

  • Abseiling down (Abseilen in die Höhle)
  • Black Water Rafting (Rafting in der Höhle)
  • Glowworms (Glühwürmchen)
  • Caving (Höhlenbegehung)
  • Rock climbing (Klettern)

Nachdem alle ausgestattet waren ging es wieder in den Bus und wir fuhren nochmal ca. 15 Minuten bis zum Einstieg in die Höhle. In der Waitomo Gegend gibt es im Umkreis von 16 km ungefähr 280 Höhlen. Die Gegend kann man sich ungefähr wie einen Schweizer Käse vorstellen.

An der Einstiegsstelle gab es noch einmal eine Einweisung zur Benutzung des Abseilracks und dann ging es los zur Abseilplattform. Einer nach dem anderen seilte sich die gut 25 Meter in die Höhle ab. Unten angekommen warteten wir, bis Tony als letzter nachkam. Dann ging es für gut drei Stunden durch das Höhlensystem. Meistens im Wasser, aber zum Teil auch mal außerhalb des nassen Elements.

Wir konnten unzählige Glühwürmchen beobachten und erfuhren, dass der Lebenszyklus dieser Tiere aus vier Phasen besteht. Die Weibchen der Arachnocampa luminosa (spinnenähnliche Larve, die Licht erzeugt) legen ca. 120 Eier ab. Nach drei Wochen entwickelt sich daraus eine Larve von wenigen Millimetern Größe, das sind die Glühwürmchen, die wir sehen. Diese wachsen in neun Monaten, bis sie die Größe eine Streichholzes erreicht haben.

Dann verpuppen sie sich und nach zwei Wochen schlüpfen daraus die zweiflügeligen, moskitoähnlichen Lebewesen deren einziger Zweck die Fortpflanzung ist. Da sie keine Freßwerkzeuge haben, leben sie nur wenige Tage und der Zyklus beginnt von neuem.

Und warum glühen die Larven? In ihrem längsten Entwicklungsstadium der Arachnocampa luminosa ist die Nahrungsaufnahme das wichtigste. Dazu lassen die Larven viele klebrige Fäden von der Höhlendecke hängen. Mit ihrem bioluminiszierenden Licht locken sie Insekten und Spinnen an, die in den Fäden kleben bleiben und als Beute der Larven dienen.

Wir kletterten durch enge Durchlässe und immer wieder ließen wir uns in den bereitgestellten Reifen durch die unterirdischen Wasserläufe treiben. Zum Schluss der Tour kletterten wir wieder ca. 25 m an einer Wand ans Tageslicht hoch. Dann fuhren wir wieder ins Basecamp, wo die heiße Dusche und trockene Klamotten auf uns warteten.

Zum Abschluss gab es im Check-In noch eine Tasse heiße Suppe und die Bilder zu sehen, die wir dann auch käuflich erwerben konnten (was wir getan haben, deshalb steht auf diesen Bildern auch “by Kiwi Cave Rafting” als Wasserzeichen). Wir hatten ein außergewöhnliches Erlebnis und mit Tony einen äußerst humorvollen und lustigen Tourguide, der dem ganzen Erlebnis die Krone aufsetzte.

Abends gab es dann BBQ im örtlichen General Store und das wohlverdiente Bier dazu.

Tour 31: Taupo – Te Kuiti – Waitomo Village, 150,48 km

Tag 23: Wandern und Paddeln

Etappe: Marahau – Sunrise Valley

Die kombinierte Tour ging um 08:30 los, das hieß für uns der Wecker läutete um 07:00. Da wir aber vom Vortag so kaputt waren – nein, nicht vom Neujahrfeiern, sondern vom Paddeln gegen den Wind –  dass wir schon um 20:30 in den Federn lagen, war das überhaupt kein Problem. Ich war um viertel nach sechs wach und Claudia eine halbe Stunde später. Der Wecker hatte nichts zu wecken.

Mit insgesamt 19 Personen gingen wir auf die Gourmet Platter Tour. Und wieder mal gab es eine kurze Einweisung, Unterschriften und so weiter. Hatten wir ja schon ein paar mal. Dabei lernten wir Caro und Leo kennen, ein junges Paar aus Stuttgart, die in Richtung Süden unterwegs waren. Und gleich wurde der ein oder andere Tipp ausgetauscht, denn die beiden kamen von der Nordinsel und hatten zum Beispiel das Tongariro Alpine Crossing schon hinter sich. Und wir haben begeistert von Camp Glenorchy (heute “The Headwaters Eco Lodge”) und unserem Ausflug hoch zu Roß erzählt.

Es folgte die Essensausgabe, denn wir wurden für die Tour mit einem fetten Lunchpaket ausgestattet. Und dann ging es ab in den Bus, der uns zur Einstiegstelle für das Wassertaxi brachte. Das Schauspiel, wenn die Traktoren die Anhänger mit den Booten und den Passagieren darin ins Wasser fahren, ist etwas ganz besonderes. Da ist richtig Betrieb, das geht wie das Breznbacken.

Das Wassertaxi brachte uns dann in die Torrent Bay, von wo wir unsere Wanderung auf dem Abel Tasman Track starteten. Zwei Stunden und zehn Minuten stand auf den Wegweisern zu unserem Ziel Bark Bay. Inklusive Überschreitung der Falls River Hängebrücke, die ganz schön wackelte.

Der Track verläuft mehr oder weniger parallel zur Küstenlinie in Richtung Norden immer wieder durch den Regenwald aber auch mit ausgesetzten Streckenabschnitten, wo wir tolle Ausblicke auf die malerischen Buchten hatten. Plötzlich lief uns ein Weka, ein neuseeländischer Vogel auf dem Weg entgegen. Es dauerte einen Moment, bis wir bemerkten, dass er uns wohl von seinen Jungtieren ablenken wollte, die etwas unterhalb des Weges im Unterholz saßen.

In eine diese Buchten, die Sandfly Bay (wo dieser Name wohl herkommt?) steigen wir dann hinunter, da sie nur fünf Minuten vom Weg abzweigte und unsere restliche Strecke nur noch 30 Minuten dauern sollte. 12:30 Uhr war die Zielzeit zu der wir in der Bark Bay sein sollten, damit uns das Wassertaxi wieder aufnehmen und ein Stück zurück in südlicher Richtung bis zum Observation Beach bringen konnte.

Während der Fahrt sahen wir auf der Backbordseite des Wassertaxis (das ist die linke Seite in Fahrtrichtung, also in unserem Fall im Westen) Land und Claudia fragte den Kapitän, ob das die Nordinsel sei.

Plötzlich stoppte er das Boot, schaute in die Runde und fragte mit todernstem Gesichtsausdruck, ob Kiwis an Bord seien. Es meldete sich ein Paar und er fragte, woher sie kämen. Aus Hamilton (Nordinsel) lautete die Antwort. ‘Na gut’, meinte der Käptn, ‘das kann man vielleicht gerade noch als Kiwi durchgehen lassen!’ Er spielte damit auf die alte Rivalität zwischen Nord- und Südinsel an, nach der sich die Bewohner der Südinsel als Einwohner des Mainland, also der Hauptinsel bezeichnen.

Er sah Claudia an und deutete nach Steuerbord (wer vorher aufgepasst hat, weiß jetzt, dass das die rechte Seite des Bootes in Fahrtrichtung ist, in unserem Fall die Himmelsrichtung Osten) und meinte: ‘Irgendwo da ganz weit hinter diesen Hügeln und Bergen soll irgendwo noch ein Land sein, ich glaube, sie nennen es Australien. Da haben sie alles abgeladen, was giftig und gefährlich ist: Schlangen, Spinnen, Haie, Krokodile.’

‘Und hier’, er deutete nach Backbord, ‘wenn ihr hier über diese Hügel und Berge steigt, kommt ihr irgendwann nach Picton. Das sind die Berge der Marlborough Sounds. Und wenn ihr dann noch mal ins Boot steigt, soll irgendwann mal noch so eine Insel kommen, ich glaube, man nennt sie die Nordinsel. Auch nicht viel besser, als die andere Seite.’ Die ganze Geschichte erzählte er natürlich ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Wir haben sehr gelacht.

Am Observation Beach angekommen, wurden wir in drei Gruppen aufgeteilt. Wir waren mit einem amerikanischen Mädchen in einer Gruppe einem Guide zugeteilt. Da kam ein Teilnehmer einer anderen Gruppe und fragte unseren Guide, ob das Mädchen die Gruppe wechseln könnte, damit sie alle zusammen sind. Oli, unser katalanischer Guide besprach sich mit seinem Kollegen und prompt waren dann Caro und Leo bei uns und wir sind mit drei Kayaks losgezogen. Wir Paare jeweils in Zweierkayaks und Oli als Guide in einem Einsitzer.

Wir kreuzten zunächst zum gegenüberliegenden Adele Island – die Frau des französischen Kartographen, der die Gegend vermessen hat, hieß so – und konnten an der Nordspitze noch ein paar Seals beobachten, die sich dort auf den Felsen und im Wasser tummelten. Danach ging es wieder zurück auf die andere Seite des Astrolabe Kanals und wir fuhren die restliche Strecke zurück nach Marahau Beach.

Im Hooked Café genossen wir vier dann noch ein Abschlussbierchen und tauschten weitere Neuseelanderfahrungen aus. Leo wollte wissen, wie das mit der Sternenfotografie funktioniert und ich hab ihm, so gut ich konnte, erklärt, was er am besten machen muss, damit die Bilder was werden. Bei unserem Einkaufsstopp in Motueka sahen wir uns dann zufällig noch einmal auf dem Parkplatz des Supermarktes. Caro gab uns noch ihre Handynummer, damit wir unsere gemeinsamen Bilder austauschen konnten.

Dann machten wir uns auf den Weg in das 24 km entfernte Sunrise Valley, denn hier hatten wir in der Campermate App noch den Nelson Sun Club gefunden, ein weiteres FKK Camp, sogar mit 9-Loch Golfplatz dabei. Wir wurden herzlich begrüßt, alle powered sites waren zur freien Auswahl und so blieben wir gerne für die Nacht.

Unser erster Weg führte uns in die unlimierte heiße Dusche, die nach der ganzen Salzwasser-Plantscherei im Kayak sehr angenehm war. Danach verspeisten wir mit ein paar Bieren unser Sandwich aus dem Lunchpaket, denn wir hatten am Morgen im Hooked Café ein ebensolches zum Frühstück gegessen und die Teile sind so groß und ausgiebig, dass wir Mittags absolut noch keinen Hunger hatten. Nebenbei unterhielten wir uns mit den anderen Gästen (auch hier alles Kiwis, die meisten aus der näheren Umgebung).

Als es dann schon dunkel war, haben wir noch den Tipp der Camp-Chefin beherzigt und haben uns die Glühwürmchen angesehen, die entlang des kleinen Bachlaufs neben der Einfahrt leuchteten. Wir hatten ein paar Leuchtpunkte erwartet und wurden total überrascht: da waren tausende kleine Lichtpunkte, die da leuchteten, was ihr Körper hergab! Es gab nur ein Problem: wir konnten sie nicht fotografieren, also müsst ihr es einfach glauben.

Tour 23: Marahau – Kaiteriteri – Motueka – Upper Motuere – Sunrise Valley, 46,96 km