Tag 28: Er hat uns bezwungen

Etappe: Stratford – Tongariro Holiday Park

05:30 Uhr ist irgendwie schon eine sehr unchristliche Zeit, vor allem im Urlaub! Um leichter wach zu werden hatten wir am Vorabend die hinteren Vorhänge des Campers nicht zugezogen. War eh egal, da hinter unserem Bus nur eine Hecke war. Aber gebracht hatte es irgendwie nicht viel, das Aufstehen war deshalb nicht leichter und wir wurden trotzdem vom Wecker geweckt, nicht von der Morgensonne.

Das Frühstück war ziemlich spartanisch: eine Dose Cola Zero für jeden und ein Marmeladenbrot. Das musste reichen. Wir hatten ausreichend Essen und Getränke für die Tour dabei und auch genügend Pausen eingeplant.

Wir machten uns auf den Weg zum North Egmont Visitor Centre, dem Ausgangspunkt unserer Tour auf den Mt Taranaki. Als wir dort ankamen, bot sich uns ein Bild, das wir schon mal gesehen haben: ein junger Mensch in DOC-Klamotten begrüßte uns und wir hielten ein bisschen Smalltalk. Dabei stellten wir fest, dass nicht nur die Welt ein Dorf ist, sondern auch Neuseeland.

Jake, so hieß der junge Mann, der für das Department Of Conservation hier die Besucherumfragen machte, fragte uns natürlich, was wir denn bisher so alles gemacht haben. Als wir den Key Summit Track erwähnten, meinte er: ‘Ach, dann habt ihr bestimmt meine Kollegin Chelsea gesehen, die dort arbeitet.’ Wir erzählten ihm dann, dass wir sie nicht nur gesehen, sondern uns auch ganz gut mit ihr unterhalten hatten.

Auf die Frage, wie er den Tag für die Tour einschätzte, meinte er: ‘Seems pretty good today, you possibly can make it to the top in four and a half hours. You both look pretty good equipped.’ Wir begannen also unseren Aufstieg um 07:20. Die erste Teilstrecke führt auf einem Bretterweg durch dichten Regenwald, bis man an eine Art Hütte kommt. Dorthin führt auch noch eine geteerte Fahrstraße, die allerdings mit einer Schranke versperrt ist. Vermutlich nur für geführte Gruppen oder sowas.

Von dort aus ging es dann auf einer unbefestigten Fahrstraße von Beginn an kräftig bergauf. Zu Anfang noch im Regenwald, der sich nach ca. einer halben Stunde lichtete. Die Straße wechselte von grobem, faustgroßem Schotter zu zwei betonierten Fahrstreifen und auch die Steigung nahm deutlich zu. Der betonierte Weg hatte immer zwischen 25% und 30% Steigung, und so ging es die nächste halbe Stunde weiter. Das war nicht ohne!

Als der Fahrweg aufhörte hatten wir die Mobilfunkstation am Mt Taranaki erreicht und bis zum Ziel des ersten Abschnittes, der Tahurangi Lodge waren’s nur noch ein paar Höhenmeter, die zum Teil auf Holztreppen, die als Weg dienten zurückgelegt wurden. Dieser erste Abschnitt sollte der leichteste Teil der Tour sein.

An der Lodge haben wir die erste Rastpause eingelegt, seit dem Start war eine Stunde und zehn Minuten vergangen. Wir waren ziemlich flott unterwegs, die Richtzeit war mit 1,5 bis 2 Stunden angegeben.

Ab hier ging es dann auf Holztreppen und zwischen großen Gesteinsbrocken fast in direkter Linie nach oben. Auf der ganzen Tour gibt es, außer für den Fahrweg so gut wie keine Serpentinen, der Weg folgt in der Regel der Falllinie! Und wir wären froh um die 30% Steigung vom Anfang gewesen!

Immer wieder standen am Wegesrand Hinweistafeln, die zum Überprüfen des Wetters und der eigenen Verfassung aufriefen:

  • Ist das Wetter in Ordnung? Ja / Nein
  • Fühlst Du Dich fit genug weiterzugehen? Ja / Nein
  • Wenn Du eine dieser Fragen mit “Nein” beantwortet hast, dreh um!

Nachdem wir das zweite Teilstück durch das Gestein hinter uns gebracht hatten, begann mit dem Treppensteig der dritte Teil. Über unzählige Holzstufen führen viele Treppen immer weiter in Richtung des Gipfels. Mittlerweile waren gut zwei Stunden vergangen. Am Ende dieses Abschnitts folgte auch wieder das Hinweisschild mit den beiden Fragen.

Jetzt könnte man meinen, dass sich die Wanderer und Bergsteiger für so eine Tour ja entsprechend vorbereiten, aber dem ist leider nicht so. Nach Aussagen des DOC ist der Mt Taranaki Summit Track eine der am meisten unterschätzten Touren und es kommt immer wieder zu gefährlichen Situationen wegen falscher Ausrüstung, zu wenig Proviant oder fehlender Erfahrung.

Und nach den Treppen ging das Geröllfeld (Scree) los. In gerader Linie nach oben, über Lava-Geröll, das so lose ist, dass die Füße nur sehr schwer einen festen Tritt finden und man meist für einen Schritt nach vorne zwei zurück machte. Das zehrte an der Kondition und war extrem nervig.

Und so war es dann auch nach zwei Dritteln des Geröllfeldes klar, dass wir nicht mehr weitergehen. Vor allem mental machte das Geröll zu schaffen. Die Anstrengung war mittlerweile so groß, dass ein Aufstieg bis auf den Gipfel bedeutet hätte, dass oben alle Kraftreserven verbraucht gewesen wären. Und dabei ist der Gipfel ja nur die halbe Strecke, was viele immer vergessen, denn der Weg nach unten ist ja nicht minder anstrengend, denn die gleichen Herausforderungen warten ja nochmal.

Wir drehten also um und machten uns an den Abstieg. Wer die einzelnen Streckenabschnitte nachvollziehen möchte, kann sich gerne den folgenden Film ansehen:

Im Nachhinein betrachtet, war es wohl die richtige Entscheidung, auch wenn uns noch einige entgegenkamen, die bei weitem schlechter ausgerüstet waren, als wir und auch von der Verfassung her nicht den besten Eindruck machten. Aber das Wetter änderte sich jetzt im Minutentakt, mal knallte die Sonne runter und gleich darauf zogen Wolken durch, die auch Regen mitbrachten. Dazu kam immer wieder heftiger Wind.

Wir wurden, als wir uns mit zwei aufsteigenden Bergsteigern unterhielten, von zweien überholt, die vom Gipfel kamen. Sie meinten, wir hätten nicht unbedingt was versäumt, die Sicht war nicht so toll, auch wenn von unten der Gipfel klar zu sehen war.

Als wir wieder an der Lodge ankamen, wurde erst mal der Rest der Brotzeit vertilgt. Zeit hatten wir genug, denn es regnete eh gerade. Nachdem wir dann noch den Fahrweg hinter uns gebracht hatten – der bergab deutlich unangenehmer zu gehen war, als bergauf, haben wir uns im Visitor Center erst mal eine Tasse Tee gegönnt.

Wir baten Jake, dass er Chelsea unbedingt schöne Grüße ausrichten soll und haben ihm die Adresse des Blogs gegeben und auch den Link zu dem Beitrag, wo ihr Foto eingestellt ist. Zum Schluss haben wir auch noch mit Jake ein Foto geschossen.

Da wir früher, als erwartet wieder am Camper waren, entschieden wir uns, anschließend gleich bis zum Tongariro Holiday Park durchzufahren und nicht, wir ursprünglich vorgesehen, irgendwo im Verlauf des Forgotten World Highway (der State Highway 43 heißt tatsächlich so) zu übernachten.

So kamen wir nach 2014 auch wieder in der Republik Whangamomona durch, die am 19. Januar ihre Präsidentschaftswahlen abhält. Wir dürften als Bürger der Republik zwar wählen, sind aber an dem Tag schon nicht mehr hier. Und außerdem hatten wir unsere Pässe nicht dabei. Egal, sie werden auch ohne unsere Stimmen einen würdigen Präsidenten finden.

Die Fahrt auf dem Forgotten World Highway ist immer ein Erlebnis und ein Tipp für jeden, der in der Gegend ist.

In Taumarunui hatten wir dann endlich wieder Handyempfang und riefen gleich im Camp an, um zu fragen, ob überhaupt noch Platz ist. ‘Wenn ihr genug Geld habt, hab ich genug Platz’, meinte Greg, der Besitzer scherzhaft, und gab uns noch den Tipp in Taumarunui einzukaufen, da sonst bis zum Camp keine Möglichkeit mehr ist.

Wir kamen noch rechtzeitig zum Check-In, bevor die Rezeption geschlossen wurde und buchten auch gleich die Tour für den nächsten Tag: das Tongariro Alpine Crossing. Die Wettervorhersage ist gut und wir sind zuversichtlich, dass wir die Tour diesmal gehen können. Anders als 2014.

Tour 28: Stratford – North Egmont Visitor Centre – Stratford – Whangamomona – Taumarunui – National Park – Tongariro Holiday Park, 304,38 km

Tag 9: Es kommt anders, als man denkt

Etappe: Tongariro Base Camp – Forgotten World Highway – Whangamomona – Ohawe Beach

Als wir heute morgen geweckt wurden, war das leider nicht von lieblichem Vogelgezwitscher oder den Sonnenstrahlen, die durch den Vorhang schienen, sondern es war das Prasseln des Regens auf dem Camper, das unseren Schlaf beendet hat.

Um 7:45 sollte das Shuttle abfahren, wenn es vom Wetter her gegangen wäre, es war 7:00 Uhr, damit war dann auch die letzte Hoffnung verflogen, dass wir heute die Tongariro Alpine Crossing gehen können. Die Gefahren wären einfach zu groß gewesen, und da wir beide wissen, was das Wetter im alpinen Bereich ausrichten kann, und vor allem wie schnell, war schnell klar, dass es keinen Sinn macht. Schade, aber nicht zu ändern.

So hatten wir zur Morgentoilette doch wieder etwas mehr Zeit und beim Frühstück überlegten wir, was wir als Alternativprogramm machen könnten. Claudia hat dann den Forgotten World Highway entdeckt. Gut, dann eben in Richtung Westen, zum Mount Taranaki, dem Vulkan, der dem Fuji in Japan zum Verwechseln ähnlich sieht. Um es vorwegzunehmen: wir haben ihn leider nur teilweise gesehen, denn der Gipfel war dicht in Wolken verhüllt.

Der Forgotten World Highway ist eigentlich der State Highway Nr. 43, aber eben mit ein paar Besonderheiten. So gibt es in der Mitte ein zwölf Kilometer langes Stück Gravel Road, also unbefestigte Straße, und an jedem Ende des Highways steht groß und deutlich der Hinweis, dass es keine Tankstelle auf dem ganzen Weg, und das sind immerhin 155 Kilometer, gibt. Also haben wir, bevor wir in Taumarunui auf den SH43 abgebogen sind, brav noch unseren Tank gefüllt und sind dann ins Abenteuer aufgebrochen.

Und ich muss sagen, der Weg verdient den Namen zurecht. Ich bin mir selten so alleine vorgekommen – auf einem Highway wohlgemerkt – wie hier. Es gibt hier Landschaft, viel Landschaft und noch mehr Landschaft. Und wenn Du glaubst, es kann nicht mehr Landschaft geben, dann kommt nochmal eine Schippe drauf. Unglaublich. In einem Moment fahren wir durch grüne Wiesen mit Schafen und Kühen, im nächsten Moment stehen wir im dichtesten Regenwald mit Palmen und Farnen. Es geht rauf und runter, über Pässe, naja gut, sagen wir eher Sättel und Höhenzüge durch Schluchten und Canyons.

Und plötzlich begrüßt uns ein Schild in der Republik Whangamomona. Hä? Eigentlich dachte ich, dass es in Neuseeland nur Neuseeland gibt und sonst nix. Aber ich habe mich getäuscht. Am 28. Oktober 1989 hatte sich das Dorf Whangamomona zur unabhängigen Republik erklärt, nachdem die neuseeländische Regierung die Provinzgrenzen verschoben hatte und das Dorf fortan nicht mehr zu Taranaki gehören sollte. Seitdem fallen in das 10 Seelen Örtchen jedes ungerade Jahr am 24. Januar Scharen von auswärtigen Einwohnern zur örtlichen Unabhängigkeitsfeier hier ein um den nächsten Präsidenten zu wählen.

Wahlberechtigt ist jeder mit einem Pass der Republik Whangamomona. Und da dieser Pass, und damit auch die Staatsbürgerschaft und die Wahlberechtigung, für fünf Dollar im örtlichen Whangamomona Hotel erworben werden können, ist die Zahl der wahlberechtigten Bürger deutlich höher, als die Zahl der tatsächlichen Einwohner. Ich muss nicht extra erwähnen, dass wir auch am 24. Januar 2015 den nächsten Präsidenten wählen dürften, oder? Leider haut es zeitlich nicht ganz hin, an der Wahl teilzunehmen, und Briefwahl ist leider nicht möglich.

Am Ende des Tages kommen wir im Camp von Ohawe Beach, das direkt am Strand liegt, an, und nach einem kurzen Strandspaziergang, bei dem wir die Fischer beim Fangen von Whitebait beobachten konnten, genießen wir das Ankommerbier am Strand, hören dem Wellenrauschen zu und beobachten, wie das Wasser immer höher steigt – die Flut kommt langsam.

Nach dem kleinen Abendspaziergang am Strand genießen wir die Ruhe und Abgeschiedenheit des Camps und freuen uns auf den nächsten Tag, an dem wir nach Wellington, die Hauptstadt Neuseelands fahren wollen.

Tour 6: Tongariro – Ohawe Beach, 276 km